50 Jahre Lutherkirche - 50 Jahre Bauboom der Gotteshäuser

Wer in der Lutherkirche in Elmshorn sitzt, schaut vor allem auf Glas. Rotes und blaues Glas. Das bunte Fenster, das frontal den segnenden Jesus zeigt, zieht
unwillkürlich die Blicke der Festgottesdienstbesucher auf sich. Die Lutherkirche wurde am Sonntag,
8. Oktober, 50 Jahre alt.
Mauerwerk, Beton und Glas. Schlicht, funktional geschnitten - so sieht die typische Sechzigerjahre-Kirche aus. Und davon gibt es einige im Kirchenkreis. Einen wahren Bauboom hatte es zu dieser Zeit gegeben. Das Geld war da, die Gemeindeglieder präsent und so ergab sich vielerorts die Nachfrage nach neuen sakralen Räumen.
Im Festgottesdienst der Lutherkirche saßen sogar vier Besucher, die sich noch an die Zeit vor dem Kirchbau erinnern konnten. Es sind die "lebendigen Steine", wie Pastorin Corinna Schmucker sagte, die dem Haus seinen Charakter
geben: "Menschen, die singen,
beten, oder Kabel verlegen."
Haben die Gemeinden mit 50 Jahre jungen Kirchen Ruhe, während sich die Verantwortlichen der jahrhundertealten Gotteshäuser mit morschem Gebälk und Hausschwamm herumplagen? Diese Schlussfolgerung stimmt so nicht, sagt Diplom-Ingenieurin Ute Preuß aus der Bauverwaltung des Kirchlichen Verwaltungszentrums. Sie nennt ein Beispiel: "Dachstühle wurden in den sechziger Jahren aus Nadelhölzern anstatt mit Eichenholz gebaut, statisch
optimiert ohne Reserven in ihrer Tragfähigkeit. Bei Fehlstellen in der Dachabdichtung werden solche Dachkonstruktionen schneller
marode."
Auch manche Betonkonstruktion - der neue In-Werkstoff dieser Zeit - blieb nicht ohne Probleme. "Man dachte damals, dass man für die Ewigkeit baute, doch hatte man nicht mit Korrosionsproblemen gerechnet, die auf Grund zu geringer Betonüberdeckungen an den eingelegten Stahlbewehrungen entstehen", erläutert Preuß. Bis zum siebenfachen der eigentlichen Größe kann ein Bewehrungsstahl aufrosten, sodass großflächig Abplatzungen entstehen bis zu deutlichen Rostspuren an den Fassaden. Und stoßen heute bei Instandsetzungsmaßnahmen an den 60er Jahre-Kirchen die Handwerker auf Asbest, gilt es, den hochgiftigen Stoff sorgfältig und unter strengsten Vorkehrungen auszubauen und fachgerecht zu entsorgen.
Martin Sommer, Vorsitzender des Kirchenkreis-Bauausschusses, sieht zudem Herausforderungen bei der energetischen Aufrüstung. Teilweise seien jüngere Kirchen
sogar schlechter beheizbar als ältere. "Und was die Dämmung betrifft, muss man genau schauen, ob der Aufwand im Verhältnis zur Ersparnis steht" Für Sommer, der offene und helle Kirchen mag, liegt der Vorteil der Sechzigerjahre-Kirche nicht im Alter, sondern in der Funktionalität. "Wenn im Kirchraum auch Gemeindearbeit oder unterschiedlichste Arten von Konzerten stattfinden sollen, dann ist die
offene Bauweise sicher von
Vorteil", sagt Sommer. Ob seinerzeit mehr Kirchen gebaut wurden als man sich im Nachhinein wünscht, ist für ihn keine wichtige Frage. "Die Kirchen sind das Erbe unserer Eltern und wir machen das Beste aus ihnen", betont der Barmstedter Synodale. Und im Fall der Lutherkirche Elmshorn ein richtig schönes Erbe, wie Propst Dr. Thomas Bergemann ergänzt.

Unsere Sechzigerjahre-Kirchen:

1960:
Ansgarkirche Elmshorn
1964:
Thomaskirche Elmshorn
1965:
Dreifaltigkeitskirche
Hohenlockstedt,
Christus-Kapelle Hemdingen
1966:
Lutherkirche Elmshorn (Foto),
St. Michaelis-Kirche,
Itzehoe, St.-Martin-Kirche Oelixdorf

Veröffentlicht am Mo 17.10.2016