Der Tod kommt immer näher

Pastor Thielko Stadtland

Traurigkeit steigt in mir auf. Es wirkt so ruhig und alles in mir will schreien. „Nahe bei dem Kreuz von Jesus standen seine Mutter und ihre Schwester. Außerdem waren Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala dabei.“ (Johannes 19,25)

Es ist unvorstellbar. Menschen, die Jesus wirklich nahe stehen, sind da: Die Mutter Jesu, Maria Magdalena, die am Ostermorgen als erste am Grab sein wird, und weitere. Sie begleiten das Sterben, sind da, während Jesus gedemütigt wird und unerträgliche Schmerzen auszuhalten versucht. Der Tod kommt immer näher.

Sie stehen nahe bei ihm. Stehen ihm bei. Hat Jesus ihr Atmen gehört, während er seufzt und stöhnt? Sie sind da. Unvorstellbar, nicht zu brüllen, sich an das Kreuz zu klammern, zu rütteln, Gott zu beschimpfen, sich mit aller Kraft gegen das zu stemmen, was sich hier ereignet. „Ich will das nicht! Ich kann das nicht aushalten! Ich lasse das nicht geschehen!“ Wenn das ihr Schreien wäre, so wäre es einfacher, sich diesen Moment vorzustellen.

Doch ich höre nichts! Brüllende Stille. Angst ist da: Anteilnahme an einem Gekreuzigten konnte gefährlich werden. Ich höre sie nicht – aber ich spüre in dieser Stille die Kraft, die es braucht, den Impuls zu schreien, zu unterdrücken. Wie stark haben sie die Fäuste in den Mund gestemmt, um still zu sein?Unterdrückte Impulse, stumme Schreie – Geräusch-Nebel unter dem Kreuz. Bleibt es dabei? Die Frauen unter dem Kreuz sind da. Am Ende Akzeptanz?

Einwilligung in den Weg des Mannes am Kreuz, der keinen Zweifel gelassen hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Ist das der Mut zur Hoffnung, dass dieser Weg doch irgendwie richtig ist? Ich glaube, dass das Gottes Weg ist. Ein Weg, der am Ende doch kein Ende ist.

Pastor Thielko Stadtland,
ab 19.4. Propst mit Dienstsitz in Elmshorn

Veröffentlicht am Fr 02.04.2021