Friedhof Brunnenstraße in Itzehoe.

Von Themenparks und Pflanzenkunde: Die Friedhofskultur wandelt sich immer mehr

Natalie Lux

Reerdigung statt Beerdigung, Themenparks statt geharkter Grabkanten. Die Friedhofskultur wird gerade ordentlich aufgemischt. Und die evangelischen Ruhestätten können vorn dabei sein - zumal wir nahezu 90 Prozent der Friedhofsträgerschaften stellen.

Wahlgrab an Wahlgrab. Reihe für Reihe ordentlich geharkt. Blumen der Saison auf den Gräbern. Grabsteine in weiß, anthrazit oder dunkelrot. Menschen ziehen mit grünen Gießkannen von Wasserstelle zum Grab. Unterhaltungen im Flüsterton. So war er, der klassische evangelische Friedhof. Und nun ist alles anders. Erst siegte die Urne über die Erdbestattung und die Flächen halbierten sich. Und dann wollten die Angehörigen nicht mehr jeden Monat Blumen setzen und harken. Man lebte nicht mehr unbedingt am Ort, pflegefreie Alternativen wurden angefragt. Rasengräber zum Beispiel, oder ein kleines Erinnerungstäfelchen am Baum. 

Themenfelder stark nachgefragt

Und jetzt? „Gemeinschaftsgrabanlagen mit Urnen in Themenbereichen sind gerade stark nachgefragt“, sagt Friedhofsfachberaterin Beritt Mahrt vom Friedhofswerk. Da gibt es Skulpturengärten, Rasenfelder mit Grabplatten, Rondelle mit biblischen oder naturkundlichen Themen. Die Konkurrenz durch die Ruheforste und Friedwälder könne sie nicht aufhalten. Aber zumindest am Markt mithalten, denn: „Wer nicht wirbt, stirbt“, formuliert es Beritt Mahrt provokant auf den Punkt. 

Vorbild Neumünster

Wer auf Ideensuche ist, dem empfiehlt sie einen Blick auf den Friedhof Neumünster. Dort gibt es einen Unendlichkeitsgarten, Themenfelder zu biblischen Themen, Bienen-, Rosen- und Apostelgarten. Ganz am Anfang steht man in Schleswig-Holstein beim Thema Reerdigung: Das ist eine alternative Bestattungsform, bei der der Körper der verstorbenen Person in einem Kokon zu Humus umgewandelt wird. Der Prozess wird von Mikroorganismen angetrieben und dauert rund 40 Tage. Die entstandene Erde kann dann auf einem Friedhof beigesetzt und bepflanzt werden. Die Reerdigung stößt weniger CO₂ aus als eine Feuerbestattung. Die Reerdigung ist in Deutschland seit 2022 möglich und es gibt Pilotprojekte in einzelnen Kirchen. im Rahmen eines Pilotprojektes möglich

Parkähnliche Friedhöfe und Veranstaltungen locken Besucher*innen an

Ein weiterer Trend: Den Friedhof parkähnlich gestalten und Veranstaltungen dort planen. Beides lockt die lokale Bevölkerung an, auch wenn es gerade keinen Trauerfall in der Familie gibt. Denn der moderne Friedhof möchte ein Ort für die Toten und die Lebenden sein: flanieren, die Ruhe genießen, Einkehr, das geht auf dem örtlichen Friedhof bestens. Botanische Führungen ziehen naturinteressierte Menschen an. Durch Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte oder Führungen kann der Friedhof zudem zu einem Ort des Austauschs und der Bildung werden, der die Geschichte und die Bedeutung des Todes in unserer Gesellschaft thematisiert. 

Image-Video unserer Friedhöfe

Veröffentlicht am Mi. 12.07.2023