Direkt neben einer kleinen Kirche steht eine große. Dieses eindrückliche Bild hat Herbert Heuer in der Kirchengemeinde Makindu aufgenommen. Das Bild ist ein Symbol für gelebtes Wachstum. Die kleine Kirche wurde 2007 errichtet, damals zählte die Gemeinde gerade einmal zehn Mitglieder. Nur 15 Jahre später entstand direkt daneben ein größeres Kirchengebäude. Heute versammelt sich hier eine Gemeinde mit rund 50 Menschen. Einen eigenen Pastor hat sie nicht; zum Abendmahl kommt der Pastor der Nachbargemeinde. Dieses Bild – klein neben groß – wurde zum Sinnbild der Reise.
Lernen von gelebtem Wachstum
Die Lernreise wurde von Pastorin Katharina Davis, Afrikareferentin im Ökumenewerk der Nordkirche, und Pastor Dirk Fanslau, zuständig für Mission und Ökumene im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf, organisiert. Gemeinsam reisten sie mit 18 Menschen aus unterschiedlichen Bereichen von Kirche: Sechs Teilnehmende aus Kenia – darunter Bischof Ole Kutuk Meliyio, eine Pröpstin und vier weitere Pastor:innen – sowie zehn aus unserem Kirchenkreis, darunter ein Propst, Jugendmitarbeitende, Theologiestudierende, Mitglieder der Synode, Kirchengemeinderäte, eine Diakonin, ein Kirchenmusiker und eine Medienreferentin.
Auf ihrer Reise begegneten sie überall lebendiger Gemeinschaft und wachsender Kirche – in Gemeinden auf dem Land ebenso wie in urbanen Zentren.
Wie wächst Kirche – und warum?
Die Reise war geprägt von der Frage, wie Kirche unter ganz unterschiedlichen Bedingungen wächst. In Kenia stellen evangelisch-lutherische Christ:innen nur etwa ein Prozent der Bevölkerung. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Kenia (KELC) entstand in den frühen 1990er-Jahren. In Tansania hingegen ist die lutherische Kirche fest in der Gesellschaft verankert: Etwa 13 Prozent der Bevölkerung gehören ihr an. Die Evangelical Lutheran Church in Tanzania (ELCT) wurde in den frühen 1960er-Jahren gegründet und ist heute die zweitgrößte lutherische Kirche weltweit.
Trotz dieser Unterschiede eint beide Kirchen ein bemerkenswerter Aufbruch. Die ELCT verfolgt sogar das ambitionierte Ziel, innerhalb von 5 Jahren bis 2026 eine Million neue Mitglieder zu gewinnen. Auch in Kenia wächst die lutherische Kirche – während in Deutschland und Europa vielerorts über Rückgang gesprochen wird.
15 Tage voller Begegnung
Die Reise begann in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Von dort ging es weiter nach Kajiado ins Land der Massai. In Tansania führte der Weg über Arusha und Moshi am Fuße des Kilimandscharo bis nach Daressalaam, dem Bischofssitz der ELCT und einer pulsierenden Millionenstadt am Indischen Ozean.
Die Teilnehmenden besuchten Kirchengemeinden in Stadt und Land, die Hauptsitze der KELC und ELCT sowie verschiedene diakonische und missionarische Einrichtungen: das Straßenkinderprojekt Pangani Lutheran Children Center (PLCC), das Kilimanjaro Christian Medical Center (KCMC), das Jugendfestival Twen’Zetu Kwa Yesu und Upendo Media, das Medienzentrum der ELCT mit eigener Zeitung, Radio- und Fernsehsender.
Was haben wir gelernt?
Die Reise hat deutlich gemacht: Kirche wächst dort, wo sie nahe bei den Menschen ist. In Kenia und Tansania ist Glaube sichtbar, hörbar und spürbar im Alltag verankert – auf der Straße ebenso wie im Klassenzimmer, am Krankenbett oder auf Social Media. Gottesdienste sind gemeinschaftliche Ereignisse, verbunden mit Gesang, Musik und persönlichen Zeugnissen. Viele Gemeinden wachsen, obwohl sie kaum über materielle Ressourcen verfügen. Was sie stark macht, ist ihre geistliche Ausstrahlung und die Überzeugung, dass Glaube und Leben zusammengehören.
Die Eindrücke der Reise sind zahlreich:
Die Selbstverständlichkeit, mit der Glaube gelebt wird, beeindruckt.
Die Kirche hat einen Auftrag, und sie erfüllt ihn: Sie geht zu den Menschen. Sie scheut sich nicht, aktiv zum Glauben einzuladen. Sie geht auch mal von Tür zu Tür, um für ihre Veranstaltungen zu werben. Sie legt missionarische Programme auf.
Das Miteinander der Generationen: Jugendliche und junge Erwachsene übernehmen Verantwortung, gestalten aktiv das Gemeindeleben mit.
Bildung und diakonisches Engagement sind eng mit Gemeindewachstum verknüpft: Wo Menschen Hilfe, Zugehörigkeit und Orientierung erfahren, entsteht Kirche.
Durch Sunday-School für Kinder- und Kleingruppenprogramme für Jugendliche und Erwachsene sorgt sie für ein breites Bibelwissen unter den Christen, das mit dem Alltag in Verbindung gebracht wird.
Impulse für unsere Kirche vor Ort
Was bedeutet das für uns? In einer Zeit, in der viele Kirchengemeinden in Deutschland um Relevanz und Anschluss ringen? Die Reise hat viele Fragen aufgeworfen – und zugleich Mut gemacht. Sie zeigt: Kirche kann wachsen, wenn sie sich mit ihrer Umgebung verbindet, wenn sie Räume öffnet für Spiritualität, für Beteiligung und für gesellschaftliches Engagement.
Nicht alles ist übertragbar. Kontexte und Voraussetzungen sind zu unterschiedlich. Aber die Haltung, mit der Kirche in Ostafrika unterwegs ist, ist inspirierend. Sie fragt nicht zuerst: „Was können wir leisten?“ sondern: „Was braucht es jetzt?“ Dieser Perspektivwechsel kann auch uns helfen, neue Kraftquellen zu erschließen.
Die Reisegruppe nimmt viele konkrete Ideen mit: Die stärkere Beteiligung junger Menschen, der Fokus auf geistliche Gemeinschaft, der Mut zur einfachen, aber klaren Verkündigung – all das kann neue Wege bahnen. „Wir sind als Lernende gekommen – und fahren als Ermutigte zurück“, fasst es Dirk Fanslau zusammen.
Die Lernreise geht weiter
Die Gruppe hat eine Nachbearbeitung der Reise geplant. Ergebnisse berichtet sie bei der nächsten Kirchenkreis Synode im November und auf der Landessynode der Nordkirche.
Aber auch im Netz und auf Social Media können Sie mehr erfahren:
Link zum Highlight auf Instagram
Videos von Steffen Paar: On the Road 1 + On the Road 2
Interview mit Herbert Heuer über den zweiten Teil seiner Lernreise

