Wir sind steinreich

Pastor Helmut Willkomm

Wir sind steinreich. Steine haben wir reichlich. Geld auch, aber ganz so viele Steine können wir uns auf Dauer nicht leisten. Gedanken von Helmut Willkom, Pastor in Oelixdorf und Vorsitzender des Kirchenkreisfinanzausschuss.

Ist unser Kirchenkreis arm? Wenn man die besorgten Mienen der Verantwortlichen sieht, könnte man das denken. Aber: Wir sind steinreich. Steine haben wir reichlich. Geld auch, aber ganz so viele Steine können wir uns auf Dauer nicht leisten.

Bisher ging das immer irgendwie. Dann hat man eben die Stelle in der Jugendarbeit gestrichen oder in der Kirchenmusik oder die Küsterinnen praktisch abgeschafft. Fast alle Gebäude haben wir dagegen behalten. Doch spätestens jetzt sehen wir: Das funktioniert nicht mehr.

Nicht nur Sanierungen stehen an: Die bisher immer bezahlbare Heizung ist nicht mehr bezahlbar. Schade eigentlich, dass wir das erst durch die Erhöhung der Energiepreise merken. Hätte nicht die Klimakrise Grund genug sein müssen, etwas zu ändern? Wir hatten uns zwar schon vor der Energiekrise auf den Weg gemacht.

Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, abwarten, evaluieren, noch ein Schritt zurück – so hätte das noch lange gehen können. Dass wir auf alles andere verzichten können, auf die hauptamtlichen Menschen, das haben wir ja schon festgestellt. Mancherorts gibt es außer der Pastorin oder dem Pastor keine anderen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen mehr. Oder sogar das Pfarrhaus steht leer. Könnten da statt der teuren leeren Gebäude Menschen arbeiten?

Gebäude nennt man Immobilien. Sie machen uns immobil, unbeweglich. Natürlich brauchen wir Dächer über unseren Köpfen, gute Orte, an denen wir uns und Gott begegnen können. Aber in jedem Dorf, in jedem Bezirk? Es werden sicher nicht alle Kirchen plötzlich geschlossen. Viele sind denkmalgeschützt. Die kann man gar nicht einfach schließen. Aber wir, die Kirche, sind mehr als nur Denkmalschützer. Wir sind reformatorische Kirche, unterwegs zu den Menschen. Nicht still stehende Kirche, die nichts loslassen kann.

„So viel du brauchst“ – das war das Motto des Kirchentages 2013. So viel du brauchst, wird Gott dir in die Hände geben. Wir brauchen nicht alles festzuhalten. Im Gegenteil: Um in Empfang zu nehmen, was Gott uns geben will, müssen wir die Hände öffnen.

Der Reformationstag naht und mit ihm die Erinnerung an Martin Luther, der im 16. Jahrhundert Verkrustungen seiner Kirche aufgebrochen und die Tür in eine neue Zeit geöffnet hat. Ich glaube: Gott braucht keine immobile Kirche, die sich an toten Steinen festklammert. Gott braucht eine lebendige Kirche, gebaut aus lebendigen Steinen. Aus uns, seinen Kindern.

Veröffentlicht am Fr 21.10.2022