Friedhof Wilster im Frühjahr

Trauern kann man nicht üben

Alessa Pieroth

Trauerkultur: Auf dem Friedhof in Wilster sind die pflegefreien Grabflächen bei Angehörigen sehr beliebt.

Für die Wilsteraner ist ihr Friedhof ein Teil des alltäglichen Lebens. Fahrradfahren ist auf den Hauptwegen erlaubt. Viele nutzen diese als schnellste Verbindung zwischen den Siedlungen. Friedhofsleiterin Beritt Mahrt freut sich auch über ihre beiden „unbezahlten Mitarbeiter“, wie sie ein Entenpärchen nennt, das zuverlässig mit dem Schnabel die jungen Schachtelhalmtriebe aus den Beeten rupft.

Fast 20 Jahre arbeitet Beritt Mahrt schon auf dem Friedhof in Wilster. Sie weiß, auch ein Friedhof unterliegt Moden. Wurde früher noch überwiegend erdbestattet, gibt es heute rund 75 Prozent Urnenbestattungen. Opulente Grabsteine mit großem Pflanzbeet, das die Familie selber pflegt, sind nur noch selten gefragt. „Kaum jemand wohnt noch in dem Ort, in dem er geboren wurde“, weiß die Friedhofsleiterin.

Auch in Wilster wurde eine Weile anonym bestattet, um die Grabstätten pflegeleichter zu gestalten. „Da zeigte sich aber, dass die Leute sich Ersatzgrabstätten auf der anonymen Fläche geschaffen haben“, erinnert sich Mahrt. Steine, Blumenbouquets, Kerzen oder Vasen wurden an willkürlichen Stellen abgelegt. Manche Hinterlassenschaft fiel dabei dem Rasenmäher zum Opfer. „Wir merkten, trauern lässt sich nicht üben. Die Angehörigen dachten, sie bräuchten keine Ritualfläche, aber dem war nicht so.“, erzählt Beritt Mahrt weiter. Eine Alternative zur anonymen Bestattung oder der ebenerdig in den Rasen verlegten Grabplatte musste her.

Heute bietet der Friedhof Wilster, wie auch viele andere Friedhöfe im Kirchenkreis, erfolgreich pflegefreie Grabflächen an, mit eigener Ritualfläche. Dort sind sowohl Erd- als auch Urnenbestattungen möglich. Auf einem etwa einen Meter breiten, mit Pinienrinde ausgefüllten Streifen können die Angehörigen neben dem Grabstein Andenken und Blumen hinterlegen, müssen es aber nicht.

Das Friedhofsteam übernimmt für 20 bzw. 25 Jahre die Pflege. Ein pflegefreies Urnengrab kostet einmalig etwa 2200 Euro, jährliche Grabpflegekosten entstehen nicht. Die pflegefreien Grabflächen für die Erdbestattungen starten bei 2700 Euro. Die pflegefreien Grabflächen gibt es überall auf dem Friedhof, unterschiedlich arrangiert. Mal rückenschonend als Hochbeet angelegt, mal um einen Baum gruppiert, dann wieder länglich arrangiert. Dazwischen befinden sich auch immer noch die gewohnten Familiengräber. „Wir wollen hier ja keine Reihenhaussiedlung fürs Jenseits entstehen lassen. Der Friedhof soll ein Ort sein, an dem sich auch die Lebenden wohlfühlen“, sagt Beritt Mahrt.

Veröffentlicht am Fr 04.06.2021