Alexander Stoll schaltet die Heißklebepistole aus, dann ist er bereit für das Telefoninterview. Der 24-Jährige und zwei seiner Mitschülerinnen, Bente Müller und Jennifer Schulze, haben im August eine praxisintegrierte Ausbildung (PiA) zur Erzieherin bzw. zum Erzieher begonnen. Diese Ausbildungsform ist neu in Schleswig Holstein. In Niedersachsen etwa, wo Alexander Stoll für eine Zeit lang zum Studieren lebte, gibt es die Praxisintegrierte Ausbildung für ErzieherInnen noch nicht.
Das ist neu an PiA
Am Regionalen Berufsbildungszentrum in Itzehoe gehören die drei dem ersten Jahrgang im Kreis Steinburg an, der auf diese Weise ausgebildet wird. Praxisintegriert, das bedeutet: „Im ersten Lehrjahr haben wir drei Praxistage und zwei Schultage. Ab dem zweiten Lehrjahr ist es andersrum“, erklärt Jennifer Schulze. Die Vorteile fasst Bente Müller zusammen: „Wenn wir in der Schule einen Theorieteil zum Spracherwerb haben, kann ich das in der Kita direkt anwenden und wenn sich dann noch Fragen ergeben, kann ich sie in der Klasse schon eine Woche später besprechen. Im Blockunterricht hätte ich das vielleicht wieder vergessen, bis ich die Kinder wiedersehe.“
Neu ist auch, dass die Auszubildenden ein Gehalt bekommen. In Kindertagesstätten macht sich der Fachkräftemangel derzeit besonders bemerkbar. Da schafft die Vergütung einen willkommenen Anreiz. Jennifer Schulze etwa arbeitete zuvor als Versicherungskauffrau. Als alleinerziehende Mutter ist sie auf ein regelmäßiges Gehalt angewiesen, aber ihr Job erfüllt sie nicht. „Nach einem frustrierenden Bürotag habe ich die Leiterin der Kita meiner Söhne gefragt, ob es für mich eine Möglichkeit gibt, in der Einrichtung zu arbeiten. Kurze Zeit später rief sie mich an und erzählte mir von PiA“, sagt die 35-Jährige. Schulze wägt genau ab und kündigt schließlich ihren Job um die Ausbildung in der Kita in Kollmar zu starten.
Ähnlich ging es Bente Müller. Auch die Konditorin traute sich den Berufswechsel erst zu, als sie von PiA erfuhr. „Jetzt komme ich jeden Tag mit richtig viel Freude zur Arbeit.“ Die 24-Jährige zog von einem Dorf bei Kiel für die Ausbildung nach Hohenaspe und arbeitet jetzt in der Kita Fehrsstraße in Itzehoe. Von ihrem Auszubildenden-Gehalt kann sie sich ein Auto und eine Wohnung auf dem Dorf leisten. Von ihren Backkünsten profitiert jetzt auch die Kita.
Die Arbeit mit Kindern erfüllt und begeistert
Das feste Gehalt hat allen dreien die Entscheidung für die Ausbildung erleichtert. Die Arbeit mit den Kindern ist es, die die drei erfüllt. Selbst durch den Telefonhörer ist die Begeisterung über ihre Arbeit deutlich zu spüren. „Die Kinder tragen so viel Freude in sich und sind für alles so dankbar“, erzählt Alexander Stoll, der mit seinen Schützlingen gerne kleine Monster bastelt oder in der Sporthalle tobt. In der Schule ist er der einzige Mann, in seiner Kita in Neuendorf gibt es noch einen weiteren Erzieher. Der 24-Jährige bedauert den Sonderstatus, den er besonders im Schulalltag spürt. Dort ist aber auch Raum, Geschlechterklischees zu reflektieren. Bei seinen Freunden wirbt er für den Job mit den guten Berufsaussichten im pädagogischen Bereich.
PiA bringt frischen Wind in die Kitas
Gut aufgehoben fühlen sich die drei angehenden ErzieherInnen bei ihrem Träger. Das Evangelisch-Lutherische Kita-Werk Rantzau-Münsterdorf organisiert alle zwei Monate Treffen für die insgesamt elf PiAs und ihre AnleiterInnen. Dort können sie sich austauschen, lernen andere Häuser und Kitakonzepte kennen. „Wir sind froh, dass wir in dieser Form mit ausbilden können. PiA sehen wir als Model der Zukunft für die Ausbildung zur ErzieherIn“, sagt Patrick Laas, im Kita-Werk zuständig für Personalmanagement. Der frische Wind und Enthusiasmus, den die elf PiAs in die Einrichtungen mitbringen, kommt auch beim Kita-Träger gut an.