Hat uns denn in diesem Jahr etwas gefehlt, wenn sich viele unter uns eben nicht an den Ehrenmalen und Kriegsgräbern versammeln konnten? Wer geht da überhaupt noch hin, und wer geht vielleicht gerade extra am Volkstrauertag in den Gottesdienst wegen des Gedenkens? Ist es nicht die Gnade der Geschichte, dass wir den Sinn dieses Tages kaum noch gut vermitteln können?
In Ostdeutschland hat sich der Volkstrauertag zu einem säkularen Ewigkeitssonntag entwickelt; Bestatter und Friedhöfe bieten an diesem Tag das an, was in Westdeutschland in den Gottesdiensten am Ewigkeitssonntag stattfindet – ein privates, individuelles Totengedenken, aber im Osten eben ohne Gott. Ein säkularer, allgemeiner Volkstrauertag – wollen wir das auch? Für diejenigen unter uns, die immer mehr werden, die sogenannten Kirchenfernen? Oder wollen wir vielleicht gerade, weil wir dieses Jahr etwas anders machen müssen, neu über den Volkstrauertag nachdenken? Wie können wir als Kirche gut und aufrecht diesen Tag begleiten?
Wir sollten uns vielleicht am Beispiel der Deutschen Kriegsgräberfürsorge orientieren – die eben keine Nationen unter den Opfern kennt, die überall in Europa die Gräber pflegt, die versucht, die Würde eines jeden Menschen, der im Krieg gefallen ist, zu wahren und die durch ihre Jugendarbeit gerade zur Friedensliebe einen wichtigen Beitrag leistet.
Kirche soll und muss auch am Volkstrauertag nahe zu den Menschen kommen, ja, auf sie zugehen und in ihrer großen Stärke, nämlich ihrer Kunst, ein Ritual zu gestalten, die Würde dieses Tages wahren. Damit bleibt die Deutung über diesen Tag in demokratischen Händen, das sollte unser oberstes Anliegen sein.
Und es wird nicht verschwiegen, dass wir alle in Gottes Händen geborgen sind – egal ob im Krieg gefallen oder lebenssatt im eigenen Bett eingeschlafen.
Ihr Thomas Bergemann
Propst des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf