Pastorin Claudia Köckert

Gedanken zum Monat

Pastorin Claudia Köckert

Eine Aufgabe von Kirche besteht darin, Entwicklungen in Sprache und Ritual zu bringen. Das ist unsere große Stärke, Worte für Wandel zu finden und Segen im Neuanfang zu spenden und zu sein.

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich mich als Pastorin zur Anstellung, wie das damals noch hieß, im Kirchengemeinderat vorstellte, standen auf den Tischen im Gemeindehaus kleine Flaschen mit Cola, Saft und Selters. Ich kannte solche Flaschen aus dem Fernsehen von Pressekonferenzen. Als ich das sah, war mein erster Gedanke: „Nun bist du im Westen.“

Überhaupt erschien mir alles hier so voller Reichtum, so anders, als ich das von zu Hause und aus dem Vikariat kannte, dass es mir schlicht schwerfiel das damals aufkommende Jammern über weniger Geld nachzuvollziehen. Heute, nach dem ersten kleinen Ordinationsjubiläum, fällt mir das leichter.

Und trotzdem. Wie gut geht es uns hier eigentlich! Ja, es ist keine einfache Vorstellung, eines von zwei Gebäuden aufgeben zu müssen. Ja, es ist kein leichter Schritt, Mittel zu kürzen oder Anträge ablehnen zu müssen. Aber es geht allen so. Unsere Gesellschaft ist in so einem großen Wandel begriffen, in den Dörfern ist es zum Greifen nah: So, wie es noch vor zehn Jahren gewesen ist, wird es nie wieder sein.

Und wie ist es erst in den Städten? Es geht rasant. Wir sind ein Teil davon. Wir hatten jetzt anderthalb Jahre, um uns darauf einzustellen, dass gewaltige Umbrüche in unserer Gesellschaft vollzogen werden. So, wie das immer schon gewesen ist. Und wir haben in diesen anderthalb Jahren doch an so vielen Stellen erleben können, wo unsere Stärken liegen und dass Angst kein guter Ratgeber ist.

Eine Aufgabe von Kirche sehe ich darin, solche Entwicklungen in Sprache und Ritual zu bringen. Das ist unsere große Stärke, Worte für Wandel zu finden und Segen im Neuanfang zu spenden und zu sein. Wir sind die Ritualdesigner dieser Entwicklung. Wir sollten uns das nicht nehmen lassen. Der Wandel ist Gottes Wogen in unserer Welt. Sein Heiliger Geist weht uns weiter. Wir haben nichts zu befürchten, denn als Christinnen und Christen sind wir doch Wellenreiter.

Das mag vielleicht lustig oder naiv klingen. Aber ich komme aus einer Gesellschaft, der nichts anderes übrig blieb, als Wandel zu gestalten. Wir Ostdeutschen sind es gewohnt, dass es anders wird und Neuanfänge sich nie aufhalten lassen, wenn sie überfällig geworden sind. Und unsere Bibel beginnt mit dem Satz „Im Anfang“ nicht mit einem „Aber“. Vor uns liegt ein neuer Anfang, in uns können Hoffnung und Zuversicht wachsen. Denn die Gemeinschaft wird wachsen, wenn wir gemeinsam kleiner werden. Die großen Abers: Denkmalschutz, Geld, Verwaltung, Konflikte und so weiter – sie werden nur zu großen Bedenken, wenn wir das zulassen und eben nicht gestalten. Nehmen wir es in die Hand, gemeinsam. Gestalten wir den Wandel mit Segen.

Ihre Pastorin Claudia Köckert

Veröffentlicht am Fr 18.06.2021