Liebe Leserin, lieber Leser,
muss man in der Kirche eigentlich mit einer Stimme sprechen? Immer einig und friedlich, wie damals zu Urzeiten, als sich noch alle Menschen untereinander verstanden haben? Der Turm zu Babel wurde zerstört, die Sprachen verwirrt und die Menschen zerstreut. Die Sehnsucht danach, wieder zusammenzukommen, eines Geistes und einer Stimme zu sein, die ist groß. Pfingsten feiern wir ein Geist- und Sprachwunder. Ist das die Lösung für alle Fragen?
Der Reihe nach. Ich gebe zu, mit Pfingsten habe ich mich als Gemeindepastor lange schwer getan. „Na wo fahrt ihr hin, über Pfingsten? Ach so, na klar, ihr könnt ja nicht weg.“ Ein wenig neidisch bin ich häufig zurückgeblieben mit den Wenigen, die kommen. Geist, das ist doch irgendwie abstrakt. Zurückgeblieben sind die Jüngerinnen und Jünger damals auch. Jesus wird entrückt und der staunende Blick verweilt in den Weiten des Himmels. „War er eben nicht noch da?“
Und gerade unter diesen Zurückgebliebenen entsteht Kirche. Plötzlich kommt es gewaltig über sie. Auf einmal ist nichts mehr abstrakt. Es wird aber auch nicht aktiv gestaltet, sondern der Geist bricht sich einfach Bahn. Erfährt Raum in der Leerstelle, die offen bleiben durfte. Wie Feuer vom Himmel fällt es herab. Züngelnde Flammen verteilen sich und lassen sich nieder, auf jeder und jedem Einzelnen von ihnen, so wird in der Apostelgeschichte berichtet.
Und dann bricht ein Stimmengewirr los. Nicht eine Stimme, sondern viele sind es. Die Sprachen des Erdkreises erklingen und werden untereinander zunächst gar nicht verstanden. Was gesagt wird, scheint nicht wichtig. Aber alle spüren die Energie der Geistkraft. Die Uhr wird nicht zurückgedreht. Babel und Sprachenvielfalt bleiben. Nun finden sie in all ihrer Verschiedenheit zusammen: Kirche – offenbar von Anfang an eine Vielzahl von Stimmen, die sich über den ganzen Erdkreis spannen. So beginnt damals Kirche. Entzückt, entflammt, mit brennenden Herzen und voller Leidenschaft, ist ihre Geburtsstunde.
Verschiedenes darf und kann nebeneinander bestehen und wird nicht infrage gestellt. Vielfalt bleibt erhalten, Unterschiede sind erlaubt. Nun verstehen die Menschen sich untereinander und sind von einem Geist erfüllt. Entscheidend dabei ist aber: Alles wird vom Geist Gottes angestoßen und zusammengehalten. Der Heilige Geist ist Quelle, Kraft und Fundament dieser Gemeinschaft. Und so sind wir Kirche, mit vielen Stimmen – vereint. Frohe Pfingsttage wünsche ich Ihnen!
Ihr Thielko Stadtland