Wunder des Lebens

Geske Leweke, Pastorin in St. Jürgen Horst

Wo finden sich überall Wunder, an denen wir vorbeieile?

Ein schon leicht rostiges Gitter vor unserer Haustür. Jeden Tag laufen wir drüber. Streifen unsere schmutzigen Schuhe daran ab. Der Dreck rieselt in den kleinen Schacht darunter. Wird dort gesammelt neben kleinen Steinen und trockenen Blättern, die sich dorthin verirrt haben.

Eigentlich sehe ich dort gar nicht hin. Es ist eine dieser „toten“ Ecken, die selbstverständlich da sind, aber nicht wert, um näher betrachtet zu werden. Aber an diesem Tag bleibt mein Blick daran hängen. Eine kleine, zartlila gefärbte Blume hat sich von unten hochgeschoben. Sie ist stetig gewachsen und nun breitet sie ihre Blütenblätter oberhalb des Gitters aus. Die leuchtend gelben Fruchtstempel recken sich dem Licht entgegen.

Mitten am lebendigsten Platz des Hauses, wo alle hinein und hinaus laufen, tagein und tagaus, hat sich unbemerkt ein Wunder entfaltet. An einem Ort, der dunkel, ungeeignet und wenig fruchtbar ist. Ein kleines Blümchen hat es geschafft und hält für einen Augenblick meine Welt an und lässt mich staunen. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ – so heißt es in der Bibel.

Wo finden sich wohl noch überall solche Wunder in meinem Leben, an denen ich vorbeieile? Und wo liegen eigentlich meine „toten Ecken“, die ich am liebsten verberge, weil sie mich schwach wirken lassen? Vielleicht lohnt es sich, meine eigenen Schwächen in den Blick zu nehmen, sie wahrzunehmen. Vielleicht kann ich sie irgendwann sogar annehmen. Und wer weiß, möglicherweise ist die eine oder andere Schwäche ja sogar eine Stärke und entfaltet sich zu einem Wunder. Bei Gott ist vieles möglich.

Pastorin Geske Leweke, St. Jürgen Horst

Veröffentlicht am Do 02.03.2023