Weiter Raum

Miriam Pietzsch, Pastorin Kirchengemeinde Kiebitzreihe

Gott ruft uns ins Leben, stellt uns hinein und lässt uns nicht haltlos sein.

„Du stellst meine Füße auf weitem Raum“ (Psalm 31,9b) höre ich mich zu dem kleinen Täufling sagen und gieße mit der hohlen Hand das Wasser über die zarte, sich leicht runzelnde Stirn. Ein kleines Menschenkind mit neugierigem Blick. Und ich kann es förmlich sehen: das offene, weite Leben, das vor ihm ausgebreitet liegt, das nur darauf wartet erkundet zu werden.

Doch für einen Augenblick wird es eng in meinem Herzen, wenn ich an das ausgebreitete Leben des kleinen Täuflings denke: Was wird da kommen? Dieser weite Raum, wird er noch so existieren, wie wir ihn kennen? Die Bilder der Nachrichten schießen mir durch die Gedanken und lassen den Raum dunkel und ungewiss erscheinen: Klimawandel, Brände, Wasserfluten. Verzweifelte Menschen, die fliehen müssen. Und nun die wieder steigenden Zahlen des RKI. In was für ein Leben setzen wir unsere Kinder? Der Boden unter meinen Füßen wackelt: Sorge, Hilflosigkeit, Angst und die Frage: Will Gott uns bestrafen?

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ Wassertropfen perlen von der Stirn und der Täufling gibt ein fröhliches quietschen von sich. Sein Lachen steckt an.

Nein, nicht wir setzen unsere Kinder in die Welt, Gott ruft uns ins Leben. Stellt uns hinein und lässt uns nicht haltlos sein. Er straft uns nicht, sondern gibt uns Freiheit und Verantwortung zu handeln. Traut uns immer wieder zu, uns zu verändern. Ein weiter Raum der Möglichkeiten und seine Liebe ein fester Boden. Es liegt in unserer Verantwortung, was mit unserer Erde geschieht. Gott traut es uns zu – jeden Tag. Dieser Gedanke lockert die Enge in meinem Herzen und schenkt mir Hoffnung. Ich weiß nicht, wie der weite Raum, wie die Zukunft des Täuflings sein wird. Ich weiß nur: Gott wird dabei sein. Er stellt seine Füße auf weiten Raum.

Veröffentlicht am Sa 28.08.2021