Diesen baltischen Sinnspruch habe ich zum ersten Mal bei der Beerdigung meiner Großmutter gehört. Später lernte ich die vertonte Form kennen: ein schöner mehrstimmiger Gesang, der vom Pilgerweg im Sommer immer noch in mir nachklingt. Sperrig finde ich die Aussage, dass alles Gnade sein soll. Es gibt im Leben viel zu viel, was ungnädig, unbarmherzig und lieblos daherkommt. Das soll ich als „Gnade“ schlucken?
Heute verstehe ist das so: Alles, was Menschen anderen Menschen an Schrecklichem antun, gerät Gott nicht aus dem Blick. Das Böse wirkt. Aber nicht ohne Gottes Ein- und Gegenwirken. Offenbarend. Verändernd. Begrenzend. Beendend. Die Finsternis wird sich gegenüber dem Licht als schwach und ohnmächtig erweisen. Gott kann auf krummen Linien geradeschreiben. Wechselnde Pfade im Blick Gottes, der das Leben erfunden hat. So macht es Sinn, im Rückblick auf ein altes und im Hinblick auf ein neues Jahr, den Aufruf zu beherzigen: „Fürchte dich nicht!“
Pastor Arne Findeisen, Ev.- Luth. Thomas-Kirchengemeinde, Itzehoe-Edendorf