„Wann können wir endlich loslegen?“ Die Baggerfahrer stehen schon an der Ostsee bereit.
„Wann sind die letzten Stimmen ausgezählt?“ Was für ein Nervenkitzel, so eine Präsidentenwahl.
„Wann können wir wieder ins Fitnessstudio?“ Nicht nur der Sport fehlt in dieser Zeit.
„Wann bekomme ich endlich das Testergebnis?“ Die Tage der Quarantäne ziehen sich.
Wann? Wann? Wann? In dem kleinen Wort „wann“ stecken so viele Emotionen: Ungeduld und Hoffnung, Sehnsucht, Befürchtungen, Vorfreude.
“Wann kommt das Reich Gottes?“ Ich frage mich, ob das eigentlich heute noch interessiert. Haben wir nicht grad genug andere Sorgen? Da höre ich, wie einer auf diese Frage antwortet, ganz selbstverständlich und klar: „Das Reich Gottes ist schon da, mitten unter euch!“ Ich staune. Also kein „Wann?“, sondern eher ein „Wie?“ und ein „Wo?“
Ich gehe dem nach. Ja, ich mache mich auf die Suche: gucke vor die Haustür und über den Gartenzaun. Ich sehe einen Sonnenstrahl durch die Novemberwolken blitzen. Ein Kind hält mir aus seiner Brotdose ein Apfelstückchen an. Ein „maskierter“ Mann winkt uns vom Fahrrad aus zu. Im Briefkasten finde ich einen Corona-Gruß. Nachmittags höre ich zwei Frau auf dem Friedhof lachen, und abends singen Laternenkinder vom Licht in der Dunkelheit. Im Nachbarhaus leuchtet tatsächlich eine Kerze auf der Fensterbank.
„Wann kommt das Reich Gottes?“ Diese Frage muss niemand mehr stellen. Gut ist, einfach nur wahrzunehmen: „Es ist schon da! Mitten unter Euch!“ Tatsächlich! Wenn ich genau hinschaue, entdecke ich ganz viel davon. Zugegeben, ich finde es anders vor als erwartet. Manches muss mir auch erst jemand zeigen. Aber es ist tatsächlich da. Unverkennbar! Schon jetzt: das Reich Gottes mitten unter uns. Ich glaube: nur deshalb halte ich die vielen anderen Fragezeichen im Leben aus.
Gabriele Petersen, Pastorin der Kirchengemeinden Süderau und Herzhorn
