Ohne Hoffnung geht das nicht

Frauke Piepenburg, Pastorin für Seelsorge in Elmshorner Altenheimen, über die Hoffung als Weggefährtin im Altenheim.

„Ob wir wieder durchgrünen? Was meinen Sie?“ Mit dieser Frage empfing mich ein älterer Herr in seinem Altenheimzimmer, dabei wanderten seine Blicke hinaus zu den alten Bäumen vorm Haus.
„Das hoffe ich doch“, antworte ich.
 „Ja, ohne Hoffnung geht das nicht!“, entgegnete er entschieden.
„Worauf hoffen Sie denn?“, fragte ich meinen aufgeschlossenen Gesprächspartner.
„Na, erstmal, dass Corona vorbei ist! Dass endlich wieder mehr Besuch kommen darf, sonst gehst du ein wie eine Primel. Und dann?“
 Nach einer Pause, fährt er nachdenklich fort:
„Mit der Hoffnung ist es ja eigenartig.“
„Wieso?“
„Die wächst mit den Jahren mit.“
„ Aha?“
„Wissen Sie, ich habe schon viel durch gemacht, aber immer ging es irgendwie weiter. Glauben Sie mir, oft ganz anders als erhofft. Wie viel Träume sind zerplatzt. Aber dann war wieder eine Lebenskraft in mir. Hoffnung wächst wie Wurzeln, die sich Jahr um Jahr tiefer in der Erde verankern.
Nur als meine Frau gestorben war, dachte ich, das war's jetzt. Da war keine Hoffnung mehr in mir. Da bin ich dann viel spazieren gegangen. Draußen in der Natur wurde ich ruhiger.
Grün ist die Farbe der Hoffnung. Zunächst merkte ich es gar nicht, doch als die Birkenzweige ihr zartes Frühlingsgrün zeigten, keimte auch in mir neues Zutrauen auf.
Ich mochte wieder nach vorne schauen. Ich wollte doch noch ein bisschen mitlaufen. Ich möchte noch dazu gehören und sehen wie alles weitergeht mit meinen Kindern und Enkeln.
Dann kam der Unfall, und von heut auf morgen bin ich hier gelandet.
Ob ich noch mal durchgrüne? Wer weiß? Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es doch.
„Dann wird Hoffnung Sie auch bis zuletzt begleiten,“ versuche ich den Gesprächsfaden auf zu nehmen.
„Ja, das ist eine schöne Vorstellung Hoffnung als meine letzte Weggefährtin. Bis dahin raffe ich alle meine Hoffnung zusammen und schmeiße mich ihr in die Arme: Dass ich am Ende nicht verloren gehe.“
Auf meinen erstaunten Gesichtsausdruck reagiert mein Gegenüber: „Hätten Sie nicht gedacht, dass Sie hier so eine fromme Seele finden?! Ich bin kein Kirchgänger, aber ohne Hoffnung geht das nicht.“
Da klopft sich mein Gesprächspartner auf die Schenkel und sagt: „Für heute hoffe ich, dass das Essen schmeckt und mein Zimmernachbar mit mir auf dem Balkon eine raucht.“
Mit einem verschmitzten Lächeln verabschiedet er mich. „Vielleicht komme ich Sie im Gottesdienst besuchen.“


Frauke Piepenburg,
Pastorin für Seelsorge in Elmshorner Altenheimen

Veröffentlicht am Sa 27.02.2021