Hinter dem Nebel

Miriam Pietzsch, Pastorin der Christus-Kirchengemeinde Kiebitzreihe

Armer November. Viele Menschen mögen ihn nicht. Grau sei er, nebelig und dunkel...

Und manch einem kommt es so vor, als erzähle in diesem Monat alles vom Sterben und Vergehen: Die kahlen Bäume, die Gedenktage, wie Volkstrauertag oder Ewigkeitssonntag.

Trotzdem: Ich mag den November. Ich mag den Nebelschleier, wenn er wie eine zarte Decke über den Feldern ruht. Ich mag die Stille, die entsteht beim Anblick der letzten, zittrigen Blätter im Wind. All das löst in mir eine Art Wehmut aus, ein Gefühl für die Vergänglichkeit. Sie macht mir bewusst, wie kostbar und besonders das Leben ist. „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen.“ (Psalm 91,12)

Nein, ich gewöhne mich nicht an das Sterben und Vergehen. Jeder Tod reißt eine Wunde, lässt mich fragen und weinen und manchmal auch verzweifeln. Ein Stachel im Herzen ist das.

Doch hinter dem Nebel, unter dem grau der Vergänglichkeit, da beginnt der Hoffnungsschimmer. Die Lyrikerin Hilde Domin drückt es so aus: „Es knospt unter den Blättern, das nennen sie Herbst.“ An den kahlen Bäumen wachsen schon die Knospen. Sie lassen mich ahnen: Da kommt noch etwas. Es ist noch lange nicht vorbei. „Gott hat den Menschen die Ewigkeit ins Herz gelegt“, sagt der Prediger Salomo (Pred 3,11). Es gibt mehr als das heute. Ein mehr, das über mich und die Welt hinausweist. Und die Hoffnung wächst: Das Leben ist stärker als der Tod.

Veröffentlicht am So 24.11.2019