Am 22. Januar 1985 wurde die Versöhnungskirche in der Bernauer Straße in Berlin gesprengt. Seit dem Mauerbau lag sie mitten im Todesstreifen. Die Kirche und alles, wofür sie stand, war dem SED-Regime ein Dorn im Auge. Deswegen sollte sie möglichst spurlos verschwinden. Einige Jahre später tauchte das Bild des einstürzenden Turms der Versöhnungskirche in einer rechtsextremen Zeitschrift auf. Unter dem Bild konnte man dieses Zitat lesen: „Das, was fällt, das muss man stoßen“. Das SED-Regime und die Herausgeber der Zeitschrift spüren beide wohl ganz genau: Die Werte, die den christlichen Glauben prägen, sind unvereinbar mit ihrer Ideologie. Das Christentum ist ein Störfaktor, wenn sie ihre von Angst und Hass geprägten Weltbilder verbreiten wollen.
Wenn wir auf die Ergebnisse der jüngsten Europawahl blicken, dann müssen wir wohl feststellen: Die christlichen Kirchen haben zu wenig gestört. Parteien, die von einer Ungleichwertigkeit der Menschen ausgehen, die nationalen Egoismus und Hass gegenüber verschiedenen Personengruppen predigen, konnten erhebliche Stimmgewinne für sich verbuchen. Zur christlichen Kirche aber gehören von Beginn an Menschen unterschiedlicher Herkunft oder sozialer Schicht. Und das ist kein Zufall der Geschichte, sondern hat seinen Grund im Evangelium von der Menschenliebe Gottes.
Deswegen können Kirchen Orte sein, an denen verschiedene Menschen zusammenkommen, an denen sie lernen können, die Grenzen von Herkunft und Prägung gemeinsam zu überwinden. Als die Zeit der DDR zu Ende ging, haben die Kirchen ihre Türen geöffnet und einen Raum für Gespräch und Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt. Und auch jetzt lädt die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) mit ihrer Initiative #VerständigungsOrte dazu ein, miteinander zu reden. Damit Menschen einander kennen und achten lernen, damit wir den Hass und die Angst nicht nötig haben. Denn wir wissen: Gott hat uns Menschen alle nach seinem Ebenbild geschaffen.
Pastorin Antje Eddelbüttel, St. Nikolai Kirchengemeinde Elmshorn