„Glaube ist der Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“

Pastor Thomas-Christian Schröder, Glückstadt

Kennen Sie das Märchen „Der Kaiser und die Nachtigall“ von Hans-Christian Andersen?

Der Kaiser von China liegt im Sterben. Er ist von allen verlassen. Der Tod sitzt schon auf seiner Brust. Er hat sich des Kaisers Krone aufgesetzt und sieht den Kaiser mit seinen großen, leeren Augenhöhlen immerfort an. Es ist so still, so fürchterlich still ringsum.

Da erklingt draußen neben dem Fenster herrlicher Gesang. Er rührt von einer kleinen Nachtigall her, die von des Kaisers Krankheit gehört hat und nun gekommen ist, um ihm Trost und Hoffnung zuzusingen. Sie singt und singt. Die Alpträume des Kaisers verblassen; das Blut pulsiert wieder in seinem schwachen Körper.

Selbst der Tod lauscht und sagt: »Fahre fort, liebe Nachtigall, fahre fort!« Die Nachtigall singt von blühenden Rosen, vom duftenden Holunder und vom frischen, grünen Gras. Da seufzt der Tod und schwebt wie ein kalter, weißer Nebel zum Fenster hinaus.

Als der Morgen anbricht, verlässt der Kaiser sein Bett  – voll neuer Kraft und Lebensmut.

Es heißt, Glaube sei der Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist. Er kann die Nacht nicht aufheben. Aber sein Gesang verändert sie. Denn er singt vom kommenden Morgen; er singt vom Licht, das unweigerlich kommen wird, wenn der Tag anbricht. Er singt von dem, was noch nicht ist. Aber es wird kommen. Und dieses Wissen nimmt der Nacht ihre düstere Schwere und weckt das Leben neu.

Bleiben Sie behütet!

Pastor Thomas-Christian Schröder, Glückstadt

Veröffentlicht am Sa 30.01.2021