Die Erde wehrt sich

Ingrid Fabian, Pastorin am Klinikum Elmshorn

Schon viel zu lange leben wir nun mit unserer ständigen Begleiterin, die wir nicht eingeladen haben und die von sich aus nicht geht.

Verständlich ist es, dass einige sie ignorieren wollen, wenn man sie schon nicht loswerden kann. Aber es ist falsch. Wenn etwas nervt, will es mir etwas sagen. Bevor ich einen Plan im Umgang mit dem Gegner (hier der Gegnerin) haben kann, versuche ich zu verstehen.

Ganz am Anfang der Pandemie waren es Jogi Löws Worte, die die Welt überraschten. Ich zitiere einige Zeilen aus seiner Botschaft vom 18. März des Jahres: „Die letzten Tage haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Die Welt hat ein kollektives Burnout erlebt. Ich habe das Gefühl, dass sich die Erde … gegen die Menschen wehrt. Das Tempo, das wir Menschen vorgegeben haben in den letzten Jahren, war nicht mehr zu toppen. Machtgier stand im Vordergrund, Katastrophen haben uns nur am Rande berührt. Jetzt erleben wir etwas, was jeden einzelnen Menschen betrifft. Jetzt stellen wir fest, dass wir auf wichtige Dinge schauen müssen, was im Leben wirklich zählt: Respekt untereinander! Dass wir in Zukunft noch respektvoller miteinander umgehen.“

Vieles haben wir gelernt miteinander. Ruhe tut gut – in großen Städten sangen die Vögel wieder. Offenbar haben wir noch nicht genug verstanden und gelernt, deshalb kommt wohl jetzt die zweite Runde. Wir brauchen Geduld, mit anderen und mit uns selbst. Vielleicht wird der Ruf gehört, wenn er von den richtigen Leuten kommt?

Vor sechs Monaten erzählte ich an dieser Stelle die Geschichte von Noah und der Arche. Die Erde wehrt sich gegen Bosheit, Frevel, Unrecht – Noah wirkt mit an der Rettung, die Gott will. Auch auf dich und mich kommt es an.

Ingrid Fabian, Pastorin am Klinikum Elmshorn

Veröffentlicht am Fr 23.10.2020