Neulich hörte ich jemanden sagen: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Klingt erst mal einleuchtend. Doch nicht jedes alte Sprichwort gibt eine treffende Weisheit wieder. Das jeder für sein eigenes Glück oder Unglück verantwortlich ist, das stimmt nach meiner Überzeugung fast nie. Es ist eine falsche Weisheit. Wenn ich auf mein eigenes Leben schaue, habe ich mein Glück einer liebevollen Familie, engagierten Ausbildern und geduldigen Kollegen zu verdanken. Nicht jeder hatte ein solches Glück.
Ich denke an die vielen Menschen, die zur Armenspeisung in unsere Gemeinschaft im Lutherhaus kommen. Der Rollstuhlfahrer, den eine tückische Krankheit die Beine gekostet hat, der Obdachlose, der seit seiner psychischen Erkrankung Einkommen, Familie und Wohnung verloren hat. Ich denke an die Frau, die vor der Brutalität ihres Partners geflohen ist und nun auf dem schmalen Sofa einer Freundin schlafen muss. Wer da sagt „jeder ist seines Glückes Schmied“, der leugnet die Verantwortung, die wir füreinander haben.
Wir folgen einem anderen Sprichwort. Das heißt: „An Gottes Segen ist alles gelegen.“ Wir strecken uns gemeinsam nach dem Segen des lebendigen Gottes aus. Das verändert: Der Rollstuhlfahrer kann trotz seiner Behinderung fröhlich sein, die Frau bekommt eine feste Unterkunft und dankt Gott dafür, der Obdachlose findet Unterstützung bei der Wohnungssuche und will eine Therapie machen. Der Dienst im Lutherhaus hat auch mich verändert. Wie in einer Familie feiere ich unseren guten Gott, der uns alle segnen möchte, jeden mit dem, was er braucht.
Friedemann Ohms, Gemeinschaft in der Ev. Kirche, Leiter Lutherhaus, Itzehoe