„Je älter ihr werdet, desto mehr müssen wir darauf gefasst sein, einen Anruf zu bekommen, den wir gar nicht bekommen möchten,“ sagte der Sohn zu seinen Eltern. Es ist Nacht und er erfuhr von der aufgebrachten Mutter, dass der Vater in die Notaufnahme des nahen Krankenhauses gebracht wurde mit dem Verdacht einer Herzattacke. Der Sohn ist selbst Arzt. Er ist vertraut mit Krankheiten, auch mit Krankheiten, die zum Tod führen. Aber in der Familie, bei den eigenen Eltern, ist es dann doch etwas anderes. Es ist eine tiefe Betroffenheit, die alle in der Familie ergreift. Es stellte sich heraus: Dieses Mal war es eine Vorwarnung des Herzens. Der Körper hatte sich deutlich zu Wort gemeldet und seine Belastungsgrenzen aufgezeigt. Die Erleichterung in der Familie ist groß, denn hier und heute hat der Tod Gott sei es gedankt, nicht das letzte Wort gehabt. Eines ist klar: Das Leben wird umgestellt werden, damit es nicht wieder zu einem so erschreckenden Erlebnis kommt für alle. Jetzt aber können alle durchatmen. Der Ehemann, Vater, der Großvater ist dem nahenden Tod entkommen. Menschen haben beigestanden, haben professionell und schnell und empathisch gehandelt und im Namen der Liebe vieles möglich gemacht und vor allem: mitgetragen und mitgebangt und die Angst mitausgehalten.
An diesem Sonntag lesen wir in der Bibel von einem Mann namens Lazarus. Er ist mittleren Alters, und anscheinend mitten aus dem Leben für alle ganz unerwartet gerissen worden. Nun beweinen seine Schwestern ihn. Die Klagen sind für jeden im Dorf zu hören. Jesus ist mit dieser Familie befreundet und es ist für ihn ganz selbstverständlich, als er davon hört, sofort Hand anzulegen und dem Tod ins Räderwerk zu greifen. Es wird möglich: Er kann Lazarus zurückbringen ins Leben, sehr zum Erstaunen der Schwestern und der Leute aus dem Dorf. Keiner hatte mit dieser guten Wendung gerechnet. Was doch Liebe und Engagement vermögen, auch dort, wo Verzweiflung und Angst die einen verstummen lassen, während die anderen in lautes Klagen geraten. Bis dann der kommt, der besonnen bleibt, der sich geistesgegenwärtig ein Bild macht vom Geschehen und ganz beim Raum bereiten für Hoffnung und Leben bleibt. Den Mächten des Chaos, des Todes, der Vernichtung hat Jesus sich entgegengeworfen, mutig und selbstverständlich. Eine inspirierende Erzählung gerade für unsere aufgewühlte Zeit. Im Namen Gottes eben nicht den vernichtenden Kräften das Feld überlassen, sondern an Gottes Seite stehen und zum Leben verhelfen.
Pastorin Sylvia Zwierlein, Kirchengemeinde Kollmar-Neuendorf